Dass Physikerinnen und Physiker auf Diamanten stehen, hat wenig damit zu tun, dass sie edle Schmucksteine sind. Als unscheinbare, nur vier Quadratmillimeter große Variante lassen sich Diamanten als hochempfindliches quantenbasiertes Sensorelement nutzen. Dadurch erhalten die WissenschaftlerInnen detaillierte Einblicke in die atomare und molekulare Welt an Grenzflächen. Eine Forschergruppe des Exzellenzclusters e-conversion hat nun gezeigt, dass die Art des umgebenden Elektrolyten einen empfindlichen Einfluss auf Messungen hat.

Empfindlicher Diamant: Mit Hilfe von Laserlicht und einem speziell präparierten, vier Quadratmillimeter großen Diamanten können die TUM-Forscher selbst kleinste Mengen an Material analysieren. (Foto: Christoph Hohmann / MCQST)
Sensoren arbeiten im Verborgenen – und sind doch überall präsent und vor allem nützlich: vom Pulsmesser in der Uhr über den Auto-Airbag bis hin zum Smartphone. Die Aufgabe des Sensors ist es, ein physikalisches Signal in einen Messwert umzuwandeln. Dieser lässt sich anschließend weiterverarbeiten und führt beispielsweise dazu, dass sich der Airbag bei einem Crash entfaltet. „Im Falle der Quantensensorik begeben wir uns auf den Maßstab von Atomen und Molekülen. Als Sensor nutzen wir einen vier Quadratmillimeter großen Diamanten, auf dem wir geringste Stoffmengen analysieren können“, sagt Fabian Freire-Moschovitis, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Prof. Dominik Bucher an der TU München (TUM). „Unser Ziel ist es, eine chemische Auflösung auf Nanoebene zu erreichen.“ Damit will das Forschungsteam beispielsweise Stoffwechselprozesse einzelner Zellen untersuchen. Die Technik erlaubt es, beispielsweise Biomoleküle direkt und atomgenau in der lebenden Umgebung zu beobachten oder katalytisch aktive Substanzen im Detail zu analysieren. Dass quantensensorische Messungen empfindlich durch das umgebende Medium, wie zum Beispiel den Elektrolyten, beeinflusst werden, konnte Freire-Moschovitis nun zeigen.
Magnetsensorik im Nanokosmos
Wie Quantensensorik funktioniert, lässt sich vereinfacht, folgendermaßen erklären: Um jeden Atomkern kreisen Elektronen, die sich zudem wie ein Kreisel um sich selbst drehen. Sie haben einen sogenannten Spin, der dazu führt, dass sich ein magnetischer Dipol um das Elektron bildet. Dieser verhält sich wie ein winziger Magnet, der von anderen magnetischen Feldern abgestoßen oder angezogen wird. „Diesen Effekt nutzen wir mit unserem Diamantsensor aus. Allerdings muss er dafür speziell beschaffen sein: In seinem Kohlenstoffgitter wird ein C-Atom durch ein Stickstoffatom (N) und ein weiteres, benachbartes C-Atom durch eine Leerstelle oder (Vakanz (V)) ersetzt. Zusammen bilden sie das so genannte NV-Zentrum, das – ähnlich zu einem Atom – eine elektronische Struktur und einen Spin besitzt. Das besondere an unserem Sensor ist, dass wir seine zwei Zustände „spin up“ und „spin down“ optisch durch deren unterschiedlich starke Fluoreszenzintensität auslesen können“, erklärt Freire-Moschovitis. Der TUM-Forscher nutzt ein Ensemble von NV-Zentren, die sich 5–10 Nanometer unter der Diamantoberfläche befinden. Diese NV-Zentren fungieren wie eine Kompassnadel: Sie erspüren Magnetfelder in ihrer Umgebung und übersetzen diese in eine optisch auslesbare Fluoreszenz. Dazu wird ein grüner Laserstrahl auf den Diamanten gerichtet. Dieser absorbiert einen Teil des Lichts, ein anderer Teil wird wieder emittiert – letzterer lässt sich als rote Fluoreszenz messen. Wird eine Substanz auf der Oberfläche appliziert, verändert sich die Intensität der Fluoreszenz. Bereits das Magnetfeld weniger Moleküle reicht aus um ein Signal zu detektieren.
So geht die Spin-Lebenszeit des Quantensensors in die Verlängerung
Auch Elektrolyte, die in vielen biochemischen und elektrochemischen Systemen eingesetzt werden, beeinflussen den Diamantquantensensor, beschreibt Freire-Moschovitis in einer Publikation, die kürzlich in der Zeitschrift ACS Nano erschienen ist. „Dass paramagnetische Substanzen wie Mangan- oder Gadoliniumchlorid die Spin-Lebenszeit (oder T1 Zeit) des Quantensensors verkürzen, war bereits bekannt. Wir haben nun festgestellt, dass diamagnetische Elektrolyte wie Natrium- oder Lithiumchlorid diese Lebenszeit hingegen verlängern. Sie werden dadurch messbar“, erklärt der TUM-Chemiker. „Man muss diesen Effekt bei quantensensorischen Messungen in Elektrolytumgebungen, in denen sowohl para- als auch diamagnetische Spezies koexistieren können, einkalkulieren – sonst verfälschen die Ergebnisse.“ Für Anwender sind das wichtige Informationen. Die Ergebnisse des TUM-Forschers könnten ein erster Schritt in Richtung Elektrolyterkennung an der Elektrodengrenzfläche sein. „Es gibt bislang nur sehr wenige Methoden, um die elektrochemische Doppelschicht zu charakterisieren. Doch genau hier spielen sich die Umwandlungsprozesse ab – sei es bei Kondensatoren, Katalysatoren oder Elektroden“, sagt Freire-Moschovitis. Die Quantensensorik kann als eine Art Magnetlupe für die Nanowelt einen wertvollen Beitrag leisten, um Verborgenes sichtbarer zu machen. (Autorin: Caroline Zörlein, e-conversion)
Veröffentlichung
The Role of Electrolytes in the Relaxation of Near-Surface Spin Defects in Diamond
Fabian A. Freire-Moschovitis, Roberto Rizzato, Anton Pershin, Moritz R. Schepp, Robin D. Allert, Lina M. Todenhagen, Martin S. Brandt, Adam Gali, and Dominik B. Bucher, ACS Nano 2023
https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acsnano.3c01298
Kontakt
Fabian Freire-Moschovitis
Quantum Sensing
Technische Universität München
Mail: fabian.freire@tum.de
Prof. Dr. Dominik Bucher
Quantum Sensing
Technische Universität München
Mail: dominik.bucher@tum.de