Der Schlüssel, um Sonnenenergie optimal für chemische Reaktionen zu nutzen, liegt an den Grenzflächen, konkret bei den Elektronenübergängen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der LMU München und der Rice University, letztere sind als Hans Senior Fischer Fellows am Institute of Advanced Studies der TU München, schlagen einen neuen Weg zur Aufklärung der Zusammenhänge vor, wenn plasmonische Materialien für solche katalytischen Prozesse eingesetzt werden. Sie bieten einen neuen Rahmen zur Aufklärung dieser Prozesse und liefern eine ganzheitliche Beschreibung der Plasmonen-Molekül-Wechselwirkung, die das Design von Energiematerialien vorantreibt.
Wer auf dem Gebiet der Oberflächenchemie und -physik forscht, weiß: Grenzflächen haben Überraschungen parat. Das hat bereits der 1958 verstorbene Nobelpreisträger Wolfgang Pauli trefflich mit dem Satz, der mit ihm in Verbindung gebracht wird, ausgedrückt: „Gott erschuf die Festkörper, aber der Teufel die Oberflächen.“ Er soll verdeutlichen, dass eine Oberfläche im Gegensatz zum geordneten, gut verstandenen Festkörper verblüffende, unberechenbare Eigenschaften aufweisen. Nanoeffekte, wie beispielsweise eine erhöhte Reaktivität oder abweichende optische Eigenschaften von Nanopartikeln, machen das Zitat aktueller denn je.
Einzigartiger Übersichtsartikel vereint neues und bisheriges Wissen
„Jeder Wissensbaustein hilft uns, Licht in diese faszinierende Welt zu bringen und uns letztlich dem übergeordneten Ziel näher zu bringen: Materialien entwickeln, mit denen sich Sonnenenergie effizient für chemische Reaktionen nutzen lässt“, erklärt Dr. Andrei Stefancu, der als Humboldt Fellow im Team von Prof. Emiliano Cortés an der LMU München an plasmonischen Materialien forscht. Gemeinsam mit Prof. Naomi Halas und Prof. Peter Nordlander (beide von der Rice University in Houston, Texas) haben die LMU-Wissenschaftler jetzt einen Artikel im Magazin Nature Physics veröffentlicht, der ein einzigartiges, ganzheitliches Bild der fundamentalen Elektronentransferprozesse zeichnet. „Wir waren alle der Meinung, dass es für die heutigen Forscherinnen und Forscher wichtig ist, an die grundlegenden Erkenntnisse anzuknüpfen, die viel früher und mit ganz anderen experimentellen Methoden entwickelt wurden”, sagt Halas, die ebenso wie Nordlander als Hans Senior Fischer Fellow (gefördert durch den Exzellenzcluster e-conversion) am Institute for Advanced Studies der TU München forscht und auch in weitere e-conversion-Projekte eingebunden sind. „Der Artikel stellt ein einheitliches Verständnis der Physik der Oberflächenwissenschaft vor, das vor mehr als vier Jahrzehnten entwickelt wurde, wobei dieselben Phänomene in verschiedenen Kontexten in aktuellen Studien zur Nanophotonik und Plasmonik auftauchen“, betont Halas.
Das Potenzial der plasmonischen Chemie
Die plasmonische Chemie entfaltet sich an der Schnittstelle von Chemie und Physik. Das Forschungsfeld besitzt das Potenzial, die Effizienz von Solarzellen und die Möglichkeiten der Photokatalyse und eine nachhaltige chemische Produktion in ein ganz neues Licht zu rücken. Im Zentrum der plasmonischen Chemie stehen metallische Nanostrukturen, deren Elektronen sehr effizient von Sonnenlicht angeregt werden können. „Die Sonnenergie ist in den Elektronen des Metall-Nanopartikels gespeichert und kann diese Energie wiederum auf Moleküle, die an deren Oberfläche adsorbiert sind, übertragen. Dadurch sind chemische Reaktionen möglich“, erklärt Prof. Emiliano Cortés, der bereits mit seinen Veröffentlichungen zu Superkristallen, die mithilfe von Sonnenlicht sehr effizient Wasserstoff erzeugen können, Aufsehen erregt hat.
Was ist der beste Weg, um Energie auf ein Molekül zu übertragen
Anhand von eigenen Forschungen kombiniert mit einer umfangreichen Literaturrecherche diskutiert das interdisziplinäre Team jetzt genau, wie ein Elektron vom Metall-Nanopartikel auf ein Molekül übertragen wird und welche verschiedenen Wege für diesen fundamentalen Prozess eingeschlagen werden können. „Es haben sich für uns vier verschiedene Mechanismen herauskristallisiert, die in den Energietransfer und -austausch zwischen Elektron, Nanopartikel und adsorbiertes Molekül eingebunden sind – und die wir nun erstmals zusammengebracht haben“, erklärt Stefancu. Dabei meisterte das Team in seiner zweijährigen Arbeitsphase zu dem Paper einige Herausforderungen. Zum einen ordneten die Forscher die Wissensbausteine aus mehreren Jahrzehnten in einen zeitlichen Zusammenhang. Zum anderen schafften es die Experten, die verschiedenen zugrunde liegenden physikalischen Effekte zu visualisieren. Prof. Nordlander: „Um die genauen physikalischen Mechanismen, die diskutiert werden, klar und einfach zu veranschaulichen, waren klare Schemata dringend erforderlich“, sagt er. „Der Übersichtsartikel zeigt, dass der wesentliche gemeinsame Faktor, der dem Spektrum der untersuchten physikalischen Phänomene zugrunde liegt, die Streuung von Elektronen an einem adsorbierten Molekül ist. Diese Betrachtung eines der grundlegendsten physikalischen Effekte wird Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem viel breiteren Spektrum von Disziplinen interessieren.“
Der Artikel in Nature Physics ist das erste Ergebnis dieses Teams innerhalb des Fellowship-Programms von e-conversion und zeigt einmal mehr, den Wert der Forschungsförderung für die internationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit auf dem Bereich der Energieforschung. Mit ihrem einzigartigen Rahmenwerk hat das Team die Tür ein Stück weit weiter geöffnet, um neue Energiematerialien zu designen, die die Energiekonversion in Zukunft effizienter gestalten und die Optionen für eine industrielle Nutzung deutlich verbessern können.
Veröffentlichung
Electronic excitations at the plasmon–molecule interface
Andrei Stefancu, Naomi J. Halas, Peter Nordlander, Emiliano Cortés
Nature Physics, 20, 1065–1077 (2024)
https://doi.org/10.1038/s41567-024-02537-6
Kontakt
Prof. Emiliano Cortés
Nano Institute München, Facultät für Physik
Ludwig-Maximilians-Universität München
Email: Emiliano.Cortes@lmu.de
Website: www.nano-energy.org
Twitter/X: @HybridNano