Mehr aus Energiematerialien herausholen. Diesem Ziel sind e-conversion-Forschende jüngst wieder einen Schritt näher gerückt: Das Forschungsteam von Prof. Bettina Lotsch am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart integrierte einzelne Metallatome in geschickter Weise in kovalente organische Gerüstverbindungen, kurz COFs für Covalent Organic Frameworks. Durch diesen Trick brachten sie das Material dazu, einen größeren Anteil des Sonnenlichts zu absorbieren.

Andrés Rodríguez-Camargo entwickelte eine kovalente organische Gerüstverbindung, die durch die Einbettung von Palladiumatomen deutlich mehr Sonnenenergie absorbieren kann. (Photo: Tigmansu Pal/MPG)

Verbesserung der photokatalytischen Leistung: Die Forscher haben ihre neue Verbindung bereits erfolgreich zur Herstellung von Wasserstoffperoxid (H₂O₂) unter Licht mit einer Wellenlänge von 810 nm eingesetzt. (Artwork: ScienceBrush Design)
COFs zählen zu den vielversprechendsten Energiematerialien, weil sich ihre Eigenschaften durch den molekularen Aufbau sehr gut einstellen lassen. 2014 wurde ihre Anwendung als lichtsammelnde Materialien für die photokatalytische solare Energieumwandlung erstmals von derselben Gruppe gezeigt. Seitdem haben sich die COFs schnell als Photokatalysatoren weiterentwickelt – beispielsweise für die H₂-Produktion. Allerdings sind diese Anwendungen bislang auf sichtbares Licht (< 760 nm) beschränkt. „Durch das Einbringen einzelner Palladium-Atome in das Molekülgerüst einer speziellen COF-Verbindung, dem sogenannte TpAzo-COF, konnten wir die Absorption auf den nahen Infrarotbereich erweitern“, erklärt Andrés Rodríguez-Camargo, Doktorand und Erstautor des kürzlich veröffentlichten Fachartikels. „Dieser Anteil umfasst etwa 50 Prozent des Sonnenspektrums und blieb bislang ungenutzt. Mit unserem neuen Material absorbieren wir also deutlich mehr Sonnenenergie“, sagt Rodríguez-Camargo.
Molekülgerüst profitiert von Palladium
Um das modifizierte COF herzustellen, nutzten die Forscher eine neuartige Methode der Cyclopalladierung. Damit können die Palladium-Atome in atomarer Präzision in das Material eingebettet werden. Die resultierende Verbindung enthält dann zwölf Gewichtsprozent des Metalls. Besonders erwähnenswert ist zudem, dass die Palladium-Atome homogen im COF verteilt sind und sich keine unerwünschten Nanopartikel bilden. Die Integration des Palladiums führt dazu, dass sich die Lichtabsorption zu höheren Wellenlängen verschiebt. Das zeigt sich sogar mit bloßem Auge: Während die Ausgangssubstanz rot gefärbt ist, erscheint sie nach der Beladung mit Palladium in einem sehr dunklen Rotton. „Jeder kennt den Effekt im Sommer, wenn er ein dunkles T-Shirt trägt, dass es darunter viel wärmer wird als unter helleren Farben – ein fühlbares Indiz, dass Infrarot-Strahlung absorbiert wird“, sagt Rodríguez-Camargo. Spektroskopische Untersuchungen bestätigen dies und zeigen die optischen Veränderungen im Detail.

Der Einbau von Palladium bewirkt eine Verschiebung der Lichtabsorption zu höheren Wellenlängen. Während die Ausgangssubstanz rot ist, wird sie mit zunehmendem Palladiumgehalt immer dunkler. (Foto: Andrés Rodríguez-Camargo)
H₂O₂ als Solarkraftstoff: Eine potenziell nachhaltige Energiequelle
Neben der erweiterten Lichtabsorption führen die palladiumbasierten aktiven Zentren zu halbleiterähnlichen Eigenschaften im Material, was wiederum photokatalytische Reaktionen entscheidend verbessern kann. Die Forschenden setzen ihre neue Verbindung bereits erfolgreich für die Produktion von Wasserstoffperoxid (H₂O₂) ein. Dazu nutzen sie Licht mit einer Wellenlänge von 810 nm. Die Substanz ist eine wichtige Industriechemikalie und ein potenzieller Kandidat für einen Solarkraftstoff: Als flüssiger Energieträger kann es Sonnenenergie speichern und diese durch kontrollierte Zersetzung in Wasser und Sauerstoff freisetzen. Die Talente des mit Palladium funktionalisierten COFs zeigen: Diese Materialien können nicht nur die chemische Synthese revolutionieren, sondern auch zur Entwicklung nachhaltiger Energiesysteme beitragen. „Mit unserem Ansatz haben wir das weltweit erste COF-Photokatalysatormaterial entwickelt, das im nahen Infrarotbereich aktiv ist“, erklärt Prof. Bettina Lotsch. „Das eröffnet ganz neue Wege für die Photokatalyse und trägt zu einer wesentlich effizienteren Nutzung der Sonnenenergie bei“, erklärt Lotsch.
Publikation:
A. Rodríguez-Camargo, M.W. Terban, M. Paetsch, E.A. Rico, D. Graf, R. Hirpara, V. Duppel, I. Moudrakovski, M. Etter, N. Guijarro, C. Ochsenfeld, R.E. Dinnebier, L. Yao, B.V. Lotsch; Cyclopalladation of a covalent organic framework for near-infrared-light-driven photocatalytic hydrogen peroxide production. Nat. Synth (2025). https://doi.org/10.1038/s44160-024-00731-1
Kontakt:
Prof. Bettina Lotsch
Nanochemistry Department
Max-Planck-Institut für Festkörperforschung
b.lotsch@fkf.mpg.de