Mit ultrakurzen Lichtpulsen sind Prof. Frédéric Laquai und sein Team den Ladungen dicht auf den Fersen. Der Grund: Wenn Photonen (Lichtteilchen) auf Halbleiter treffen, lösen sie hochkomplexe, photophysikalische Prozesse aus – und erzeugen im besten Fall nutzbare Ladungen. Der Physikochemiker erforscht, welche Prozesse in Solarzellen ablaufen und wo Verluste auftreten. Mit seinen spektroskopischen Experimenten trägt er dazu bei, effizientere Materialien für die Energiekonversion zu finden. Laquai kam im August 2024 an die LMU München und engagiert sich dort nicht nur in der Wissenschaft und Lehre, sondern auch im Management-Team des Ende Mai 2025 bewilligten e-conversion 2.0-Clusters.

Photonen auf der Spur: Mit ultrakurzen Lichtpulsen untersucht Frédéric Laquai die Umwandlung von Photonen in Ladungen und alle Prozesse, die sich daran anschließen. (Foto: Stephan Höck/LMU)

Was hat Sie ursprünglich zur Chemie geführt – und wie kamen Sie schließlich zu Ihrem heutigen Forschungsgebiet, das sich vor allem mit Halbleitermaterialien befasst?
Bereits in der Schule habe ich mich sehr für Naturwissenschaften interessiert. Zudem hatte ich engagierte Lehrer, die es mir Ende der 1990er-Jahre ermöglicht haben, bei Jugend forscht teilzunehmen. Bei dem damaligen Projekt ging es um organische Leuchtdioden. Damit habe ich beim Bundeswettbewerb den ersten Platz belegt. Die Idee organische Moleküle für Elektronik zu nutzen, hat mich fasziniert. Zu der Zeit war das noch eine sehr neue Richtung. Während meines Chemiestudiums in Oldenburg und später in Marburg habe ich gezielt nach Möglichkeiten gesucht, in diesem Gebiet weiterzuarbeiten. In meiner Diplomarbeit beschäftigte ich mich mit OLEDs, also organischen lichtemittierenden Dioden, und zeitaufgelöster Photolumineszenz-Spektroskopie. In meiner Doktorarbeit am Max-Planck-Institut für Polymerforschung habe ich diese Richtung weiter vertieft. Das war letztlich der Grundstein für meine jetzige Forschung.

Welche Rolle spielte Ihre Zeit am Cavendish-Labor an der University of Cambridge und am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz?
Mein zweijähriger Postdoc-Aufenthalt ab 2006 in Cambridge hat mich entscheidend geprägt. Während dieser Zeit lag mein Fokus auf der  Femtosekunden-Laserspektroskopie, mit der sich ultrakurze, elektronische Prozesse untersuchen lassen. In Cambridge habe ich diese Technik erlernt und gleichzeitig meinen Blick für zeitaufgelöste Phänomene erweitert. Mit dem neuen Wissen bin ich damals zurück an das MPI in Mainz gegangen, und habe dort eine selbstständige Nachwuchsgruppe aufgebaut und dann für sieben Jahre geleitet. Wir beschäftigten uns zu der Zeit viel mit Ladungstransport und  Energietransfer in organischen halbleitenden Materialien. Später kamen dann auch andere Materialien wie z. B. hybride (organisch-anorganische) Perowskite hinzu.

Anschließend sind Sie nach Saudi-Arabien gegangen. Erzählen Sie uns von Ihrer Zeit an der King Abdullah University of Science and Technology (KAUST).
Genau. 2015 bin ich an die KAUST gegangen – zunächst als Associate Professor for Material Science und später wurde ich Professor for Applied Physics und Direktor des KAUST Solar Centers. Ich habe insgesamt fast zehn Jahre in Saudi-Arabien gelebt. An der KAUST habe ich nicht nur universitär geforscht und gelehrt, sondern war auch stark in die Leitung des KAUST Solar Centers involviert. In der Zeit habe ich eine eigene wissenschaftliche Arbeitsgruppe mit Masterstudierenden, Promovierenden, Nachwuchsforschenden und erfahrenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geleitet. Außerdem war ich für ein technisches Forschungszentrum verantwortlich, dem insgesamt zehn Arbeitsgruppen angehörten.

Wie kam es zu Ihrer Rückkehr nach Deutschland und zur LMU München?
Das ergab sich über die Nachfolge von Prof. Thomas Bein in der Physikalischen Chemie des Departments Chemie. Ich habe mich auf die Ausschreibung hin beworben, da die LMU München für mich eine sehr attraktive und hochinteressante Option war, unter anderem auch wegen des Exzellenzclusters e-conversion. Im Sommer 2024 habe ich dann den W3-Lehrstuhl für Physikalische Chemie & Spektroskopie von Energiematerialien an der LMU München übernommen – und wurde von den Kolleginnen und Kollegen ins zukünftige e-conversion-2.0-Sprecherteam aufgenommen.

Was sind die aktuellen Forschungsschwerpunkte Ihrer Arbeitsgruppe?
Ein Hauptziel meiner Forschung ist es, besser zu verstehen: Warum sind Energiematerialien nicht so effizient, wie sie eigentlich sein könnten? Wir schauen uns die Vorgänge, sprich die Umwandlung von Photonen in Ladungen, ganz genau an, und auch alle Prozesse, die sich daran anschließen: Ladungstrennung, -Transport und -extraktion. In jedem Schritt treten Verluste auf, die wir verstehen und dann möglichst reduzieren möchten.

Frédéric Laquais Ziel ist es, Struktur-Eigenschafts-Beziehungen aufzudecken und so die Materialentwicklung voranzutreiben. (Foto: Stephan Höck/LMU)

Was sind aktuell die größten Herausforderungen im Labor?
Man könnte sagen die Zeit – oder besser gesagt: die verschiedenen Zeitskalen, auf denen die Prozesse bei der Energiekonversion ablaufen. Manche Vorgänge, wie zum Beispiel die Erzeugung von angeregten Zuständen durch Lichteinfall und die Ladungstrennung, passieren im Bereich von unter 100 Femtosekunden bis zu Pikosekunden. Die Ladungsextraktion läuft dann im Nanosekunden- bis Mikrosekundenbereich ab. Darüber hinaus gibt es Alterungsprozesse, die deutlich länger dauern, von Minuten über Tage – oder noch länger. Um diese Bandbreite experimentell abdecken zu können, braucht es verschiedene zeitauflösende spektroskopische Methoden. Dazu müssen wir mit modernen Methoden arbeiten und auf unseren optischen Tischen Lichtpulse gegeneinander verzögern, um diese zeitauflösenden spektroskopischen Messungen überhaupt machen zu können. Viele der Experimente sind zumindest teilweise von uns entwickelt, um mehr leisten zu können als kommerzielle Systeme bieten.

Was ist das Ziel Ihrer Forschung und welche Materialien spielen aktuell eine Rolle?
Wir wollen Struktur-Eigenschafts-Beziehungen aufdecken und daraus Designregeln für die Materialentwicklung ableiten. Dazu untersuchen wir nicht nur dünne Filmschichten der Halbleitermaterialien, sondern auch vollständige und funktionsfähige Solarzellen, die wir selbst herstellen. Durch den Vergleich von  zum Beispiel Absorptionsspektren im nicht angeregten und angeregten Zustand können wir die Ladungserzeugung in den Materialien entschlüsseln. Unsere Erkenntnisse helfen dann wiederum den synthetischen Chemikern, um neue Verbindungen, die effizienter das Licht in elektrische Energie umwandeln, zu entwickeln und zu synthetisieren. Hierbei spielt die Energielandkarte des Materials eine entscheidende Rolle. Wir wollen die Ergebnisse unserer Charakterisierung in allgemeingültige Regeln für die Materialentwicklung übersetzen. Ein Großteil unserer Arbeit dreht sich momentan um neuartige Halbleitermaterialien, sowohl organische als auch hybride Materialien wie z. B. Perowskite. Letztere vor allem im Hinblick darauf, diese möglichst bleifrei herstellen zu können. Wir schauen uns zudem Materialien an, die für die photokatalytische Wasserspaltung, die CO2-Reduktion und für Solarbatterien interessant sein könnten. Innerhalb von e-conversion 2.0 bieten sich dafür sehr spannende und vielversprechende Kooperationen an. Nach knapp einem Jahr in München haben sich schon einige interessante Projekte aufgetan.

Was treibt Sie persönlich an und wie bekommen Sie den Kopf frei, um selbst neue Energie zu tanken?
Mich motiviert die Grundlagenforschung an sich: Dinge zu verstehen, die bislang unverstanden sind oder zum ersten Mal etwas zu beobachten. Das spornt mich immer wieder an und inspiriert mich. Mir liegt es ebenfalls am Herzen, jungen Menschen eine exzellente wissenschaftliche Ausbildung zu bieten – sowohl meinen Mitarbeitenden als auch den Studierenden. Für mich ist Sport ein wichtiger Ausgleich. Ich bin oft noch bei 30 Grad Celsius in Saudi-Arabien mit einer Wasserflasche in der Hand gejoggt. Hier schwinge ich mich zudem regelmäßig aufs Indoor-Bike. Vor etwa zwölf Jahren habe ich mit dem Fliegen von Sportflugzeugen angefangen, dafür war allerdings in den letzten Jahren eher wenig Zeit. Und natürlich halten mich meine zwei Jungs im Grundschulalter auch ordentlich auf Trab.

Herzlichen Dank für das interessante Gespräch. Wir wünschen Ihnen alles Gute und viel Erfolg für Ihre Forschung an der LMU München und beim Exzellenzcluster e-conversion!

Kurzprofil

Frédéric Laquai studierte Chemie (1999 – 2003) an den Universitäten Oldenburg, Cambridge (UK) und Marburg. Er promovierte 2006 an der Universität Mainz und ging dann als Postdoc erneut an die Universität Cambridge (UK). Laquai leitete am Max-Planck-Institut in Mainz (2008 – 2015) eine selbständige Nachwuchsforschungsgruppe. Von 2015 – 2024 forschte er an der King Abdullah University of Science and Technology (KAUST) und war dort Direktor des KAUST Solar Center. Seit April 2024 hat er die W3-Professur für Physikalische Chemie und Spektroskopie von Energiematerialien am Department Chemie der LMU München inne.