Poröse kristalline Materialien bieten durch ein feinmaschiges Netzwerk von Hohlräumen einen optimalen Raum für präzise molekulare Interaktionen. Dadurch machen sie katalytische Reaktionen oder die Energiespeicherung erst möglich. Vor allem metallorganische Gerüststrukturen (MOFs) und kovalent-organische Gerüststrukturen (COFs) haben diesen Bereich der Materialwissenschaften erheblich erweitert. Beide Materialklassen sind sehr vielseitig und haben jede für sich ihre Stärken, aber auch Schwächen: MOFs kämpfen oft mit chemischer Instabilität, während COFs mit ihrer geringen Kristallinität an Grenzen stoßen.

Dr. Kenichi Endo, Postdoktorand im Forschungsteam von Prof. Bettina Lotsch am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung, hat eine neue Klasse vielversprechender Hybridstrukturen geschaffen.
Das Forschungsteam um Prof. Bettina Lotsch vom Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart hat es jetzt geschafft, eine neue Klasse von Hybridgerüsten zu kreieren und darin scheinbar gegensätzliche Eigenschaften zu vereinen. Die Ergebnisse wurden kürzlich in Nature Synthesis veröffentlicht. „Zum ersten Mal ist es uns gelungen, ein poröses Hybridmaterial zu schaffen, das sowohl bemerkenswert stabil als auch hochkristallin ist“, erklärt Prof. Bettina Lotsch, deren Arbeit vom Exzellenzcluster e-conversion gefördert wird. Die sogenannten MOCOFs sind eine Kombination zweier Bindungstypen in einer einzigen Struktur, die die Stärken von MOFs und COFs nahtlos zusammenbringen. „In unserer neuartigen Klasse von Hybridmaterialien, den metallorganisch-kovalent-organischen Gerüststrukturen, kurz MOCOFs, kombinieren wir die vorteilhaften Eigenschaften der Einzelsysteme“, erklärt Dr. Kenichi Endo, Postdoktorand in Lotschs Forschungsteam. „Die MOFs tragen dank ihrer reversiblen koordinativen Bindungen eine hohe Kristallinität bei und die kovalenten Bindungen des COF-Anteils sorgen für die chemische Stabilität.“
Die Geburt der neuen Hybridstrukturen
Was so einfach klingt, war jedoch ein kniffeliges Chemie-Puzzle. Ebenso wie MOFs und COFs werden die MOCOFs durch Selbstorganisation hergestellt. Die Herausforderung dabei: Die Ausgangsverbindungen, sprich die Molekülbausteine, müssen sich in gewünschter Art und Weise zum großen Ganzen zusammenfinden. „Es braucht die optimale molekulare Struktur und die richtigen Reaktionsbedingungen, damit die Synthese der MOCOFs erfolgreich ist. Ein entscheidendes Erfolgskriterium ist zum Beispiel die vorhandene Wassermenge“, verrät Endo. Das erste Material dieser neuen Klasse, MOCOF-1, stellte er aus einem Kobalt-Aminoporphyrin und Dialdehyd her. Das Ergebnis ist eine kristalline Substanz, die eine Kristallgröße von bis zu 100 Mikrometern erreicht und chemisch beständig gegen Wasser und Basen ist. Zudem weist das Material mit einer spezifischen Oberfläche von 2.836 m²/g eine hohe Porosität auf. Dass sich MOCOF-1 ideal für die Adsorption von Molekülen wie Gas- oder Säuremolekülen eignet, konnte Endo bereits in seinen Untersuchungen unter Beweis stellen.

Die sogenannten MOCOFs sind eine Kombination zweier Bindungstypen in einer einzigen Struktur, die die Stärken von MOFs (hohe Kristallinität) und COFs (chemische Stabilität) nahtlos zusammenbringen. (Illustration: Patricia Bondia/MPG)
Anwendungspotenzial durch Chiralität
Ein weiteres Highlight von MOCOF-1 ist seine neuartige chirale Topologie. Das bedeutet, vereinfacht gesagt, die poröse Struktur besitzt eine einzigartige Konfiguration, die sich von ihrem molekularen Spiegelbild unterscheidet. Nachgewiesen hat Endo dieses Merkmal durch die Kooperation mit dem Team um Prof. Achim Hartschuh, der an der LMU München ebenfalls innerhalb des Clusters e-conversion forscht und MOCOF-1 mit optischen Messungen analysierte. Die chirale Topologie macht das Material auch für optische Geräte und Sensoren interessant. „Wir stehen noch ganz am Anfang und sind gespannt, welches Potenzial diese molekularen Hybridgerüste für diverse Anwendungen bereithalten“, sagt Prof. Bettina Lotsch. „Die Kombination aus hoher Kristallinität, Stabilität und Funktionalität eröffnet jedenfalls völlig neue Möglichkeiten – nicht nur im Bereich der Energiematerialien, sondern auch in der Optik und Quantenbauelementen.“
Publikation:
Crystalline porous frameworks based on double extension of metal-organic and covalent organic linkages, Kenichi Endo, Stefano Canossa, Fabian Heck, Davide M. Proserpio, M. Satukbugra Istek, Friedrich Stemmler, Joris van Slageren, Sean Hartmann, Achim Hartschuh, Bettina V. Lotsch
https://doi.org/10.1038/s44160-024-00719-x
Kontakt
Prof. Bettina Lotsch
Nanochemistry Department
Max-Planck-Institut für Festkörperforschung
b.lotsch@fkf.mpg.de