Als Mini-Reaktoren, molekulare Schwämme und Hightech-Material machen die hochporösen Covalent Organic Frameworks bereits seit einigen Jahren von sich Reden. Was in den Porenkanälen im Nanoformat im Detail vor sich geht, ist für das molekulare Design von großer Bedeutung. Nun hat ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts in Kooperation mit der Universität Stuttgart Molekülen beim Wandern in die Poren zugeschaut und liefert damit wichtige Erkenntnisse, um COFs für ihr vielseitiges Anwendungsspektrum im Bereich der Katalyse und modernen Energietechnologien weiter zu etablieren.
Nur wenige Substanzen stecken so voller Luft wie die Covalent Organic Frameworks, kurz COFs genannt. Doch interessant ist das, was die Luft umschließt: ein stabiles, kristallines Netzwerk aus organischen Molekülen. Die hochporösen Gerüststrukturen sind von Porenkanälen im Nanometermaßstab durchzogen. Ähnlich wie die Hohlräume eines Schwamms – allerdings in einer geordneten, maßgeschneiderten Form – bieten die COFs eine enorme Oberfläche auf kleinstem Raum. Das macht sie zu vielversprechenden Materialien für katalytische Prozesse, Gasspeicher oder sogar Batteriematerialien. „Doch damit die COFs ihr volles Potenzial entfalten können, müssen wir genau verstehen, wie Moleküle durch die winzigen eindimensionalen Porenkanäle wandern und was sie beeinflusst“, sagt Chemiker Dr. Lars Grunenberg, der bei Prof. Bettina Lotsch am MPG promoviert hat und dessen Arbeit vom Exzellenzcluster e-conversion gefördert wird. „Deswegen haben wir ein Modellsystem entwickelt, mit dem wir die Mobilität von kleinen Molekülen in den COFs untersuchen können.“ Zudem kooperierte das Team mit der Forschungsgruppe um Prof. Niels Hansen der Universität Stuttgart, die das Modellsystem anhand von theoretischen Berechnungen simuliert haben. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift ACS Nano veröffentlicht.
Was Moleküle ausbremst
Um den Molekülen bei ihrer Reise durch das Poren-Labyrinth der COFs zuzuschauen, mussten die Forscher jedoch ein paar Tricks anwenden, erklärt Grunenberg: „Dass wir die ersten sind, die sich die Diffusionsprozesse anschauen, hat vor allem einen Grund: Es ist nicht nur präparativ, sondern vor allem analytisch anspruchsvoll. Wir nutzen zum Verfolgen der Moleküle eine spezielle Variante der NMR-Spektroskopie, das Feldgradienten-NMR, mit der wir die räumliche Verschiebung von bestimmten Atomkernen detektieren können.“ Der Chemiker synthetisierte für seine Untersuchungen zwei verschiedene COF-Strukturen – eine Variante mit höherer und eine mit geringerer Porösität – und analysierte die Diffusion der Lösungsmittel-Moleküle bei unterschiedlichen Temperaturen. Mithilfe der in situ-NMR-Methode konnte er zeigen, dass sich diese im Fall des weniger geordneten COF-Netzwerks deutlich eingeschränkter bewegen. „Das bestätigt auch unsere Erwartungen. Ebenso wie im Falle des geordneten COF-Netzwerks, wo die Moleküle auf weniger Hindernisse stoßen, was zu der von uns beobachteten anisotropen Diffusion führt, d. h. zu einer gerichteten Bewegung der Moleküle entlang der eindimensionalen Porenkanäle“, erklärt Grunenberg.
Dynamik lässt Rückschlüsse auf Struktur zu
Im Nachhinein hört sich das plausibel und unkompliziert an, doch für die Messungen musste der Wissenschaftler das NMR-Gerät bis an die Grenzen des Möglichen ausreizen. „Ziel war es, starke, aber kurze magnetische Feldgradientenpulse aufzubauen, um zu messen, ob die Moleküle in diesen Kanälen eingeschlossen sind, da das Signal sehr schnell abklingt. Das ist technisch anspruchsvoll, liefert uns aber im Gegenzug die gewünschten Informationen über die Dynamik der Moleküle und die innere Struktur der COFs“, verrät der Forscher, den zudem sehr gefreut hat, dass seine erfolgreichen Experimente durch theoretische Simulationsmodelle des Stuttgarter Forschungs-Teams unterstützt werden konnten. Die Untersuchungen zeigen, welchen Einfluss sogenannte Realstruktur-Effekte, also Abweichungen von der idealisierten Struktur eines Materials aufgrund von Defekten oder Unregelmäßigkeiten, auf die physikochemischen Eigenschaften der COFs haben können.
Gerüststrukturen mit Potenzial
Mit ihrer Publikation haben die Wissenschaftler jetzt eine Basis für weitere Untersuchungen geschaffen, um den Massentransport in COFs zu studieren. Das Konzept lässt sich auf weitere Moleküle übertragen und bietet somit die Möglichkeit, Reaktionen in den Porenkanälen der COFs im Detail zu verfolgen und aufzuzeigen, wie sich Einschränkung beim Massentransport auf die Reaktivität auswirken. „Dadurch lassen sich wiederum Rückschlüsse auf das Design der Gerüststrukturen ziehen und wie die Moleküle, die diese aufbauen, beschaffen sein müssen“, erklärt Grunenberg. „Unsere Untersuchungen sind ein weiterer Wissensbaustein, um das Anwendungsfeld der COFs zu erweitern und diese vielseitigen Materialien weiter zu verbessern – sei es für Absorption von Gasen oder komplexe katalytische Reaktionen wie die elektrochemische CO₂-Reduktion“, gibt der Forscher einen Ausblick auf diese speziellen organischen Gerüststrukturen.
Publikation
Probing Self-Diffusion of Guest Molecules in a Covalent Organic Framework: Simulation and Experiment
L. Grunenberg, C. Keßler, T. Wei Teh, R. Schuldt, F. Heck, J. Kästner, J. Groß, N. Hansen, B. V. Lotsch
ACS Nano, Vol 18, Issue 25, June 2024
https://pubs.acs.org/doi/full/10.1021/acsnano.3c12167
Kontakt
Dr. Lars Grunenberg
Nanochemie-Department
Max-Planck-Institut für Festkörperforschung
E-Mail: l.grunenberg@fkf.mpg.de
Prof. Bettina Lotsch
Nanochemie-Department
Max-Planck-Institut für Festkörperforschung
E-Mail: b.lotsch@fkf.mpg.de
Website: https://www.fkf.mpg.de/lotsch